Erschienen Ende 2022: Das Buch ist beim Autor direkt, beim LIT Verlag, im Buchhandel oder via Amazon zu beziehen.

Der Band befasst sich mit den großen Herausforderungen unserer Zeit an Deutschland, Europa und den demokratischen Westen. Der auf sich selbst gestellte Nationalstaat besitzt die dafür erforderlichen Lösungskapazitäten nicht mehr. Eine eingehende Analyse des internationalen Umfeldes, in der die Rolle und Verantwortung Deutschlands sich zu entfalten haben, wird von den Erfahrungen des Autors als ehemaliger Spitzendiplomat bestimmt.
Als Europäer, Transatlantiker, „moderner“ Patriot sieht der Autor Deutschland als Schlüsselland eines vereinten Europas und zugleich als Teil von dessen Problemen.
Er bemängelt das unzulängliche deutsche Engagement, notleidende Wehrhaftigkeit, unterent-wickeltes geostrategisches Denken, zu viel Gesinnungsethik, wenig Sinn für Macht- und Realpolitik als Voraussetzungen zur Wahrung deutscher Interessen wie einer erfolgreichen Friedenspolitik.
Er warnt vor deutschen Alleingängen und deutscher Selbstisolierung, zeigt Schwachstellen und Lösungsansätze auf.
Er fordert nach der verspäteten „Zeitenwende“ Berlins deren nachhaltige Verwirklichung. Zur Vermeidung ihres drohenden Niedergangs geht es um die Selbstbehauptung Europas und Deutschlands.
Vorwort
Angesichts größter internationaler Herausforderungen entspringt dieses Buch der Sorge um Deutschland, Europa und die Zukunft westlicher Demokratien. Autoritäre Drittmächte und national ausgerichtete Populisten sind dabei, die nach zwei selbstzerstörerischen Bruderkriegen geschaffene und auf demokratischen Werten aufbauende, friedensbewahrende und regelbasiert integrierte Ordnung Europas durch aggressive Handlungen, Rückzüge auf sich selbst und die Verweigerung von multilateralen Problemlösungen zu destabilisieren. Der Westen ringt mit Bedrohungen von außen wie innen, mit Zersplitterung und Schwäche, die Europäische Union schwankt zwischen Integration und Desintegration, zwischen gemeinschaftlichem Verbund und nationaler Souveränität mit dem Brexit als Rückschlag und Warnung.
Darauf hat Deutschland in Verkennung seiner zentralen Bedeutung für Wohlstand und Sicherheit Europas lange unentschlossen und ohne Gefühl der Dringlichkeit reagiert. Selbst nach dem Wahlsieg Joe Bidens und trotz russischer Aggressivität drohen in Sicherheitsfragen immer wieder Verzögerungen. Zu vieles wird überlagert durch Coronapandemie und Klimawandel. Sie absorbieren Energien und Finanzen. Unverändert existieren ein gering entwickeltes geopolitisches Bewusstsein, ein unreifer Umgang mit Machtfragen sowie der Irrglaube, man könne vorteilhaft zwischen Großmächten jonglieren und sich aus Konflikten heraushalten. Die Gefahr des Verblassens von Lehren der Geschichte ist groß, auch die Neigung, das Erreichte für selbstverständlich zu nehmen. Auf mit allem verknüpfte Risiken möchte der Verfasser aufmerksam machen durch Betrachtungen des internationalen Umfeldes, in dem Deutschland sich zu bewegen hat und dabei sich bewusst sein muss, wohin es gehört. Erfahrungen der Bonner Republik, Lehren aus der Weimarer Republik wie den Weltkriegen und dem Kalten Krieg werden von einem neuen „Zeitgeist“ bestimmt.
Im Bewusstsein großer Herausforderungen befasst der Autor sich mit den Gefahren des Populismus und Nationalismus anhand der Beispiele des EU-Austritts Großbritanniens und der USA Donald Trumps, aber auch innerhalb der EU mit Ungarn und Polen als Vorreiter, mit den autoritären Bedrohungen durch Putins Russland und das aufsteigende China sowie mit destabilisierenden Entwicklungen in der Nachbarschaft Europas von Belarus und der Ukraine über Nahost bis nach Afrika. Die insgesamt schwachen Reaktionen des Westens veranlassen ihn, sich mit der Handlungsfähigkeit der Europäischen Union und der besonderen Verantwortung Deutschlands bei zu überwindenden Hindernissen auseinanderzusetzen. Das Projekt der Nord-Stream-2-Gaspipeline bewertet er als Symbol deutscher geostrategischer Ambivalenz.
Manches von dem, was den Verfasser zum Schreiben dieses Buches veranlasste, ist inzwischen durch das brutale russische Vorgehen unter Putin gegen die Ukraine auf tragische Weise mehr als bestätigt worden. Darauf hat die neue Bundesregierung mit einer Kehrtwende deutscher Außen- und Sicherheitspolitik auf für deutsche Politik nicht untypische Weise reagiert, nämlich reichlich spät und erst unter äußerstem Druck, dafür dann jedoch abrupt. Mit der Radikalität dieser Abkehr von einer lange auch von Angela Merkel betriebenen deutscher Russlandpolitik brachten wenige Spitzenpolitiker der Koalition die ihrem Irrglauben verpflichteten Linken in der SPD, die Weltbeglücker an der Basis der Grünen sowie selbst die CDU-Opposition unter Friedrich Merz mithilfe der durch Putins Invasion geschaffenen Dramatik in die Defensive. Auch damit, wie es dazu kam, befasst sich dieses Buch.
Sein Verfasser fühlt sich heute in die Erlebnisse seiner frühesten Jugend zurückversetzt. Er verlor 1939 als Fünfjähriger seinen Vater zu Beginn des Krieges in Polen. 1945 flohen Mutter und Kinder vor der in Ostpommern einfallenden Roten Armee unter Treckverbot nachts bei Eis und Schnee in einem pferdegezogenen Wagen aus der Heimat. Über Oder, Elbe und Weser endete alles in Niedersachsen. Die mit der Dorfbevölkerung zurückgebliebenen Großeltern wurden erschossen, die weiblichen Einwohner vergewaltigt, des Verfassers elfjährige Spielkameradin gleich von fünf Rotarmisten.
Nach entbehrungsreichen Schuljahren studierte der Verfasser ab 1952 Rechtswissenschaften an der Bonner Friedrich-Wilhelm-Universität. Im Bundestag verfolgte er mit existenziellen Fragen befasste politische Debatten. Auslandsstudien halfen ihm, sich aus der Enge des Flüchtlingsdaseins zu lösen und sein Bild von Deutschland und der Welt zu formen. Besonders weiterführend war 1954/55 ein Stipendium der Chicago University. Dort lehrten Hans J. Morgenthau, Nestor der „realistischen Schule“ moderner Politikwissenschaften, sowie der Völkerrechtler Quincy Wright. Später hört der Verfasser in Seminaren an der Universität Lüttich den belgischen Europapolitiker und Völkerrechtler Fernand Dehousse und an der Universität Aix-en-Provence Robert Schuman zur Geschichte der Montanunion. Seine Doktorarbeit an der Bonner Universität behandelte Methoden der Transformation und Inkorporation internationalen Rechts in nationales Recht. Das lässt ihn in diesem Buch sich auch kritisch mit der Haltung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage des Ranges europäischen zu nationalem Recht auseinandersetzen.
Der Verfasser wurde früh geformt durch Erlebnisse um und nach der „Stunde null“ von 1945, durch Auseinandersetzungen mit der deutschen Geschichte und den Sichtweisen der Völker ehemaliger Feinde und Opfer. Daraus folgte nach dem zweiten juristischen Staatsexamen 1964 der Eintritt in den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik und das Sammeln von Erfahrungen auf Posten in Afrika und den USA, darunter in New York bei den Vereinten Nationen unmittelbar ab Beitritt beider deutscher Staaten, dort auch als erster deutscher Vorsitzender eines Hauptausschusses der Generalversammlung. Als Wirtschaftsgesandter vertrat er in Washington D.C. zur Amtszeit Ronald Reagans die damalige dritte Wirtschaftsmacht der Welt bei der ersten. Im AA war er in der Wirtschafts- und Europaabteilung tätig, lange unter Hans-Dietrich Genscher, seit 1989 für die Eingliederung des sich vereinigenden Deutschlands in die EG zuständig. 1993 wurde er vom Bundeskabinett unter Helmut Kohl und Klaus Kinkel zu Deutschlands Ständigen Vertreter bei der EU in Brüssel ernannt. Diese Funktion übte er bis zur Pensionierung 1999 aus. Er wirkte mit an der Schaffung des Einheitlichen Binnenmarktes, der Währungsunion, an Vertrags- und Beitrittsverhandlungen der EG wie der EU einschließlich deren Nord- und Osterweiterungen und ist u. a. Träger des Europäischen Verdienstordens in Gold und des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland. Heute sieht er sich als Zeitzeuge in der Pflicht.
Beruflich engagierte der Verfasser sich bei der internationalen Absicherung von Wiederaufstieg und Vereinigung Deutschlands wie Europas. Dabei teilte er die Fortune, die sich seine Generation durch harte Arbeit, Entscheidungen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für den Westen und die Einigung Europas verdiente. Heute steht Deutschland in einer multipolaren Welt mit ihren Großmächten erneut vor komplexen Herausforderungen und der Aufgabe, das Erbe der Bonner Republik einer festen Verwurzelung im demokratischen Westen mit dafür erforderlichen Beiträgen bei stärkerer, nicht nur geografischer Nähe zum Osten zu bewahren. Dem muss es sich wegen seiner Bedeutung für das Schicksal Europas im engen Verbund mit seinen Partnern bei rapidem Wandel des internationalen Umfeldes gewachsen zeigen, sich vor einem Übermaß an Gesinnungsethik, Wunschdenken und Desinteresse an geopolitischen Zusammenhängen hüten, sich zu mehr Realismus und Übernahme von internationaler Verantwortung durchringen. Denn von der zentralen Mittelmacht Deutschland im Herzen Europas hängt beider Selbstbehauptung ab!